Akademisches Lehrkrankenhaus der Philipps Universität Marburg

Hitzestress für Senioren

Interview mit dem Chefarzt der Geriatrie Dr. Dr. Gernhardt

Bisher hat uns der Sommer nur mit sehr kurzen Hitzeperioden bedacht. Doch auch diese können insbesondere für Senioren bereits gefährlich sein. Woran es liegt, dass Senioren besonders sensibel auf Hitze-Stress reagieren und wie man zu Hause und auch im Krankenhaus damit umgeht, haben wir in einem Interview mit dem Chefarzt der Geriatrie am Kreiskrankenhaus Frankenberg Dr. med. Dr. theol. Matthias Michael Gernhardt erörtert.

Herr Dr. Gernhardt, was sind die ersten Symptome einer Überhitzung?

Hitze führt vor allem bei älteren Menschen rasch zu einer sogenannten Hitzeerschöpfung. Diese kann sich durch sehr viele, vor allem unspezifische Symptome manifestieren, wie z.B. Schwindel, Benommenheit, Erschöpfung, allgemeine Schwäche und Mattigkeit, Antriebslosigkeit, Kopfschmerzen, verschwommenes Sehen, Muskelschmerzen aber auch Übelkeit.

Anfangs, je nach Sonnenexposition kommt es zu einer Überwärmung und Rötung der Haut mit einer verstärkten Schweißsekretion, nach einer gewissen Zeit blasst die Haut eher ab und der Betroffene wird kaltschweißig. Im Rahmen der Hitzeeinwirkung und des damit verbundenen vermehrten Schwitzens verliert der Körper extrem viel Flüssigkeit. Die Haut und die Schleimhäute beginnen auszutrocknen. Im Rahmen dieser „Austrocknung“ in der Fachsprache als Exikose oder Dehydration bezeichnet zu sogenannten „stehenden Hautfalten“, das bedeute, wenn man die Haut mit zwei Fingern leicht nach oben anhebt, zieht sie sich nicht direkt wieder glatt, sondern die Falte bleibt länger sichtbar stehen. Da Flüssigkeit fehlt, scheidet der Körper auch weniger Urin aus und Stoffwechselprodukte die eigentlich entsorgt werden müssten, sammeln sich im Körper an. Es kommt zu einer zunehmenden Schläfrigkeit, die Bewegungen und Bewegungsabläufe werden unkoordiniert und fahrig. Fällt dann auch der Blutdruck ab, kann es zu einem Kreislaufkollaps kommen.

Porträt Dr. Dr. Matthias M. Gernhardt, Chefarzt Geriatrie

Welche Erste Hilfe-Maßnahmen können Angehörige ergreifen und wann muss der Rettungsdienst gerufen werden?

Natürlich sollte man die Person zunächst in eine kühle Umgebung ohne Sonnenexposition bringen. Öffnen oder entfernen sie die Oberbekleidung. Wenn die Person ansprechbar ist, etwas zu trinken anbieten und dabei darauf achten, dass sich der Betroffene nicht verschluckt. Mit feuchten Umschlägen auf Armen, Beinen, Gesicht oder Nacken kann der Körper abgekühlt werden. Kühles Wasser über die Handgelenke laufen zu lassen, ist ebenfalls hilfreich. Verbessert sich der Zustand des Patienten nicht kurzfristig, sollte ein Arzt aufgesucht werden.

Ist die Person nicht ansprechbar oder gar bewusstlos, bitte sofort den Rettungsdienst rufen. Ebenso bei neu aufgetretener Verwirrtheit, zu hohem oder zu niedrigem Blutdruck oder schwerer Atemnot. Nicht ansprechbaren Personen darf keine Flüssigkeit eingeflößt werden, die Gefahr des Verschluckens ist zu groß.

Warum sind ältere Menschen besonders gefährdet an heißen Tagen?

Ältere Menschen können bei größerer, langanhaltender Hitze sehr rasch in eine kritische Gesundheitssituation kommen. Im schlimmsten Fall tritt ein lebensgefährlicher Hitzschlag auf. Bei diesem kommt es zu einem Versagen der Wärmeregulation des Körpers. Eine Hitzeerschöpfung geht häufig dem Hitzschlag voraus. Die Symptome sind ähnlich wie bei der Hitzeerschöpfung, aber stärker ausgeprägt.

Mit zunehmendem Alter ist der Körper, also die Organe und Organsysteme nicht mehr in der Lage, sich der Hitzebelastung anzupassen. Häufig trinken ältere Menschen deutlich weniger als jüngere Menschen, da das Durstgefühl abnimmt.  Medikamente wie Diuretika (Wassertabletten) führen zu einer zusätzlichen Entwässerung bei Herzschwäche und verstärken damit die Austrocknung. Präparate gegen hohen Blutdruck können in Verbindung mit der Hitze zu einem extremen Blutdruckabfall mit Kreislaufkollaps führen. Vor allem ältere Patienten mit Herz-Kreislauf- oder Lungen-Erkrankungen sollten sich soweit dies möglich ist, nicht der Hitze aussetzen.

Wie gehen sie auf der geriatrischen Station in der Kreisklinik bei Hitze vor?

Wir achten jederzeit bei all unseren Patienten auf die ausreichende Flüssigkeitszufuhr, da dies ein bekanntes Problem bei sehr vielen Senioren ist. Bei heißem Wetter wird die Kontrolle der Trinkmengen verstärkt und immer wieder etwas zu trinken angeboten. Am besten eignen sich kalorienarme Getränke mit wenig Zucker, wie Mineralwasser, Leitungswasser, Obst- und Fruchtsaftschorlen oder ungesüßter Tee.

Zusätzlich achten wir auf eine gute Durchlüftung und Kühlung der Patientenzimmer und empfehlen den Patienten, luftige Kleidung zu tragen.

Unsere Pflegekräfte und Ärzte haben ein Auge darauf, ob sich der Zustand unserer Patienten ändert. Sie sind geschult, erste Symptome einer Überhitzung zu erkennen und damit rechtzeitig verschiedene Maßnahmen zur Abkühlung und Kreislaufstabilisierung zu ergreifen. Das reicht in der Regel aus, um eine Eskalation der Situation zu vermeiden. Natürlich haben wir hier im Krankenhaus auch die Möglichkeit, zusätzliche Flüssigkeit über eine Infusion zu geben oder den Kreislauf medikamentös zu stützen.

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