Blick eines Geriaters auf das Alter(n)
„Altwerden ist nichts für Feiglinge“
In einem kurzweiligen Vortrag erläuterte Dr. med. Dr. theol. Matthias M. Gernhardt, Chefarzt der Klinik für Geriatrie am Kreiskrankenhaus Frankenberg, dem interessierten Publikum den Blickwinkel des Geriaters (Facharzt für Altersmedizin) auf betagte Patienten mit mehreren Krankheitsdiagnosen und stellte fest: „Altwerden ist nichts für Feiglinge.“
Lebenserwartung im Wandel
Dr. Gernhardt begann seinen Vortrag mit einem Überblick zur Lebenserwartung in Deutschland. Während die Menschen im Jahr 1900 im Schnitt 48,3 Jahre (Frauen) und 44,8 Jahre (Männer) lebten, erreichen Frauen heute durchschnittlich 83,4 Jahre und Männer 78,5 Jahre. Die Zahl der über Hundertjährigen in Deutschland ist beeindruckend: Es sind 26.615 Menschen. Die älteste Deutsche wurde 113 Jahre alt, die Französin Jeanne Calmert sogar 122 Jahre und 164 Tage. Dr. Gernhardt betonte, dass die reine Zahl der Lebensjahre nicht das Wichtigste für den Gesundheitszustand eines Menschen ist. Vielmehr zählen das biologische Alter und die körperliche und geistige Fitness.
Herausforderungen im Alter: Wenn der Körper Unterstützung braucht
Es gehört zur Realität, dass mit zunehmendem Alter oft körperliche und geistige Beschwerden zunehmen. Das Bewegen fällt schwerer, weil Wirbelsäule und Gelenke schmerzen. Oft ersetzen Prothesen im Alter abgenutzte Gelenke. Herz-Kreislauf- und Stoffwechselerkrankungen nehmen im Alter deutlich zu, darunter Herzinfarkte, hoher Blutdruck, Schlaganfälle und Diabetes. Die Zahl der Diabetes-Erkrankten in Deutschland stieg von 4 Millionen im Jahr 2000 auf über 9 Millionen im Jahr 2025. Neben körperlichen Beschwerden kommt es im Alter auch zu Problemen mit dem Gedächtnis, von altersbedingter Vergesslichkeit bis hin zu Demenz. Aktuell leben in Deutschland rund 1,8 Millionen Menschen mit Demenz. Bis zum Jahr 2050 wird die Zahl der Betroffenen voraussichtlich auf 2,8 Millionen steigen.
Viele Krankheiten, viele Medikamente: Wie die Altersmedizin hilft
Viele Krankheiten auf einmal, das ist typisch für den geriatrischen Patienten, der Mediziner nennt dies Multimorbidität (lateinisch Mehrfacherkrankung). Dadurch sind viele Medikamente notwendig. Die sogenannte Polypharmazie liegt bei gleichzeitiger und dauerhafter Einnahme von mindestens fünf verschiedenen Wirkstoffen vor. Dr. Gernhardt erklärte, wie der Altersmediziner bei jedem Patienten individuell prüft, welche Krankheiten und Behandlungen am wichtigsten sind, um das bestmögliche Ergebnis für den Patienten zu erreichen. Im Krankenhaus beginnt das oft damit, die Medikamentenpläne genau zu überprüfen. Manche Wirkstoffe, die für ältere Menschen nicht mehr gut geeignet sind, werden ersetzt, und Präparate, deren Nutzen unklar oder gering ist, werden gezielt abgesetzt.
In der mehrwöchigen geriatrischen Frührehabilitation arbeitet ein Expertenteam eng zusammen. Dazu gehören Altersmediziner, Psychologen, Ergo-, Logo- und Physiotherapeuten sowie besonders geschulte Pflegekräfte. Ihr Ziel ist es, Patienten wieder fit für den Alltag zu machen. Durch „aktivierende Pflege" werden Patienten motiviert, Körperpflege und Essen so weit wie möglich selbstständig zu erledigen. So können sie nach dem Krankenhausaufenthalt wieder in ihre gewohnte Umgebung zurückkehren.