Dr. med. Volker Aßmann verabschiedet sich in den Ruhestand
Interview mit dem scheidenden Chefarzt der Gynäkologie und Geburtshilfe am Kreiskrankenhaus Frankenberg
Zum 28. Februar 2025 beendet der langjährige Chefarzt der Gynäkologie und Geburtshilfe am Kreiskrankenhaus Frankenberg seine berufliche Laufbahn und verabschiedet sich in den Ruhestand. Wir nehmen dies zum Anlass, um mit Dr. Aßmann über medizinische Entwicklungen in seinem Fachbereich und seine persönlichen Erfahrungen in einem erfüllten Berufsleben zu sprechen. Wir bitten ihn auch um seine Einschätzung zur weiteren medizinischen und krankenhauspolitischen Entwicklung in der Gynäkologie und Geburtshilfe.
Herr Dr. Aßmann, seit Oktober 2001 und damit mehr als 23 Jahre haben Sie als Chefarzt die Geschicke der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe im Kreiskrankenhaus Frankenberg geleitet. Mit Ihrer empathischen und fürsorglichen Art sind Sie als Arzt ein wichtiger Anlaufpunkt für Patientinnen und Schwangere geworden. Zusammen mit Ihrem Team aus Gynäkologen, Hebammen und Pflegekräften haben Sie unzählige Frauen kompetent betreut.
A) Was sind Ihre wertvollsten Erfahrungen in Ihrer beruflichen Laufbahn gewesen?
„Zunächst möchte ich eine persönliche Einordnung vornehmen. Bei den wertvollsten Dingen in meinem Leben steht die Arbeit nur an dritter Stelle. An erster Stelle steht für mich mein Glaube an Gott, der mich als Person stärkt und trägt, egal was kommt. An zweiter Stelle kommen die Familie und Freundschaften. Ich bin seit über 40 Jahren verheiratet und meine Frau hat mit ihrem Einsatz mein berufliches Engagement erst ermöglicht.“
„Ich bin leidenschaftlich Arzt und die wertvollste Erfahrung, die ich im Berufsleben gemacht habe, ist die Dankbarkeit von Krebspatientinnen, die mir und dem ganzen Team mitteilen, wie gut sie sich bei uns aufgehoben fühlen. Sie lassen uns immer wieder wissen, wie froh sie darüber sind, bei uns in persönlicher Atmosphäre menschlich und empathisch aufgenommen und umsorgt zu werden.“
„Ich selbst bin dankbar für unsere gute Arbeit im Team der Gynäkologie und Geburtshilfe und die sehr gute bereichsübergreifende Zusammenarbeit im Kreiskrankenhaus.“
„Der gute Draht zu den niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen, die Kooperation mit dem Uniklinikum in Marburg, der gute Kontakt zum Hospiz in Frankenberg und die Einbindung der Kinderärzte zur Versorgung unserer Neugeborenen haben ein stabiles Netzwerk gewoben. Ich bin sehr froh, dass wir dieses in den letzten Jahrzehnten weiter ausbauen und erhalten konnten.“
B) Welche bahnbrechenden Entwicklungen in der Frauenheilkunde und Geburtshilfe haben Sie miterlebt, was erwarten Sie hier in den nächsten Jahren? Spielt Künstliche Intelligenz in der Gynäkologie und der Geburtshilfe schon eine Rolle? Was könnte mit KI in Zukunft möglich sein?
„Die wichtigste Entwicklung für unseren Arbeitsalltag ist die Nutzung minimalinvasiver Operationstechniken, die wir standardmäßig einsetzen. Die Belastungen für die Frauen sind dadurch immens verringert, was die Aufenthaltsdauer im Krankenhaus, Schmerzen und die Genesungsdauer betrifft. Diese Entwicklung zu schonenderen Eingriffen wird sich in den nächsten Jahren weiter fortsetzen.“
„Die KI spielt bei uns im Arbeitsalltag noch keine Rolle. Ein Potential sehe ich beispielsweise in der Befundung von Bildmaterial, z. B. in der Mammographie. Die Einschätzung der Möglichkeiten, die die KI in Zukunft bieten kann, überlasse ich gerne jüngeren Kollegen.“
„Auch in der Tumortherapie sind bahnbrechende Entwicklungen im Gange. Insbesondere Brustkrebspatientinnen profitieren von den Fortschritten durch individuelle, maßgeschneiderte Therapiepläne, die Kombination verschiedener und inzwischen schonenderer Therapieformen, ob operativ, medikamentös oder strahlentherapeutisch. Die Prognosen und die Heilungschancen haben hier Riesenschritte nach vorne gemacht und werden sich weiter verbessern. Die Forschung ist auf vielversprechenden Wegen unterwegs. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit, die hier auch heute schon eine wichtige Rolle spielt, wird sich nach meinem Eindruck zukünftig ausweiten.“
„In der Geburtshilfe hat sich die familienzentrierte Begleitung der Geburt und im Wochenbett bewährt. Die Eltern fühlen sich unter der Geburt und mit ihren Neugeborenen in der familiären Atmosphäre unseres Hauses wohl, wie wir aus vielen Gesprächen wissen.“
C) Sind Geburten für Sie nach so vielen Jahren Routine?
„Ja, das kann man durchaus so sagen, aber egal wie oft man eine Geburt erlebt, sie ist jedes Mal wieder ein Wunder. Bei aller Routine steht man immer wieder in einer neuen Situation. Man muss sich einerseits fachlich auf das Fortschreiten der Geburt einstellen, andererseits die Gebärende und die Begleitperson mit ihren unterschiedlichen Persönlichkeiten einbinden, auf sie zugehen, sie beruhigen oder ermuntern.“
D) Was war Ihr schönstes Erlebnis auf der Geburtsstation?
„Auch wenn man sich natürlich nach jeder gut überstandenen Geburt mit den Eltern freut, war für mich die Geburt eines Enkelkindes, die ich selbst begleiten konnte, das größte Geschenk.“
E) Welche von Ihnen initiierten oder mitgetragenen Projekte liegen Ihnen besonders am Herzen?
„Auf jeden Fall unsere Einbindung in das Brustzentrum Regio für die bestmögliche Versorgung unserer Brustkrebspatientinnen. Die Besprechung jedes einzelnen Falles in einem Expertenteam und die gemeinsame Ausarbeitung des individuellen Therapieplanes sind sehr wertvoll für Behandler und Patientin.
Das Kreiskrankenhaus Frankenberg ist Lehrkrankenhaus der Philipps-Universität Marburg. Wir profitieren durch die Einbindung der angehenden jungen Ärzte im praktischen Jahr, von denen schon einige nach dem Studium zu uns gekommen sind.“
„Zu nennen wäre auch das Pilotprojekt Soforthilfe Vergewaltigung. Das Kreiskrankenhaus Frankenberg bietet in Zusammenarbeit mit dem Landkreis als Projektträger allen Frauen, die Opfer von sexueller Gewalt geworden sind, über die medizinische Versorgung hinaus, die Option, Spuren der Tat zu sichern und anonym zu archivieren. Damit können die Frauen sich bis zu einem Jahr lang in Ruhe überlegen, ob sie die Tat zur Anzeige bringen möchten.“
„Die komplette Renovierung und moderne Ausstattung der Kreißsäle und der Station 11 im Jahr 2018 waren wichtig für die Akzeptanz der werdenden Eltern, die Arbeitsatmosphäre und natürlich ein sehr wichtiges Statement des Trägers für die Standortsicherung der Geburtshilfe in Frankenberg.“
F) In Krankenhäusern in der Region sind in den vergangenen Jahren Geburtsstationen geschlossen worden. Wie haben Sie die Geburtshilfe in Frankenberg erhalten? Und wie sehen Sie die Zukunft der Geburtsstation am Kreiskrankenhaus in Frankenberg? Auch vor dem Hintergrund der geplanten Fusion mit Korbach.
„Wie gerade erwähnt, waren die Investitionen in Räume und Ausstattung ein erster Meilenstein und ein klares Zeichen des Landkreises für die Geburtshilfe in Frankenberg. Diese Position wurde mehrfach wiederholt, auch vom neuen Landrat und Aufsichtsratsvorsitzenden Jürgen van der Horst. Ich habe daher keine Zweifel daran, dass die Geburtshilfe in Frankenberg bestehen bleibt.“
„Neben dem politischen Willen ist selbstverständlich die Akzeptanz der Eltern entscheidend. Trotz rückläufiger Geburtenzahlen deutschlandweit konnten wir die Zahl der Geburten bei uns im Haus in den letzten Jahren kontinuierlich steigern. Die wichtigsten Faktoren hierbei sind die sehr gute fachliche Versorgung in modernen Räumlichkeiten, verbunden mit einer freundlichen, empathischen und familiären Atmosphäre.
Natürlich profitiert das Kreiskrankenhaus von den Schließungen anderer Geburtshilfen in unserem Einzugsbereich. Wir freuen uns sehr, dass sich auch viele Eltern aus dem Sauerland und dem Bereich Biedenkopf für uns entscheiden.“
G) Welche besonderen Herausforderungen haben Sie in Ihrer Tätigkeit als Chefarzt und zurzeit als Ärztlicher Direktor erlebt, wie sind Sie damit umgegangen und worin sehen Sie die größten Herausforderungen der näheren Zukunft?
„Der ökonomische Druck, der auf den Krankenhäusern lastet, die Einführung der DRGs zur Finanzierung und der Fachkräftemangel sind Dauerbrenner. Auch die aktuellen Entwicklungen mit der Krankenhausreform sehe ich kritisch.“
„Wir stellen uns diesen Herausforderungen, indem wir als Team zusammenstehen und stetig an der Steigerung unserer Qualität arbeiten. Im Arbeitsalltag ist Freundlichkeit ein Erfolgsrezept, ob unter den Kollegen oder im Umgang mit den Patienten. Sie ist völlig kostenlos, steigert die Motivation und wird insbesondere von den Patienten mit Dankbarkeit honoriert.“
„Die geplante Fusion mit dem Stadtkrankenhaus Korbach ist eine große Chance für beide Häuser und aus meiner Sicht alternativlos. Dass der Landkreis als Träger für ein gemeinsames Kreiskrankenhaus Waldeck-Frankenberg an zwei Standorten steht, macht mich zuversichtlich, dass die Fusion diesmal gelingt und nicht wie frühere Projekte scheitert. Dazu muss die Fusion sehr gut vorbereitet und gestaltet werden, mit den beiden Kliniken als Partnern auf Augenhöhe. Alle Akteure in diesem Prozess sollten gut eingebunden werden und den Fortgang mit Mut und kritischem Blick begleiten.“
H) Wie sind Sie persönlich mit schlimmen Diagnosen und Fehlgeburten umgegangen? Sie engagieren sich privat in der Kirche am Bahnhof in Frankenberg. Hat Ihnen Ihr Glaube auch im Beruf geholfen?
„Bei Stress und in Krisensituationen hat es mir sehr geholfen, zu wissen: Da steht immer jemand hinter mir. Mein Glaube stärkt mir den Rücken. In einigen Fällen, wie zum Beispiel kritischen Situationen bei Patienten oder auch beim Brandereignis im Oktober, kann man auch sagen: „Da lernst Du zu beten.“ Für mich ist es wichtig, dass wir als Krankenhaus Frankenberg keine Abtreibungen anbieten, die ich aus ethischen Gründen nicht vertreten kann.“
„Für die Mitarbeiter ist es wichtig, Ereignisse wie den Verlust eines Patienten, die Versorgung eines Gewaltopfers, die Mitteilung von schlechten Diagnosen oder die Einsicht, nicht mehr helfen zu können, auch persönlich zu verarbeiten. Wir besprechen solche Ereignisse zu zweit oder im Team. Man darf sich auch nicht scheuen, professionelle Hilfe hinzuzuziehen. Zur Supervision haben wir schon mehrfach psychotherapeutische Kollegen von Vitos Haina hier bei uns gehabt. Beim Brand war die Notfallseelsorge für uns da. Klinikseelsorgerin Pfarrerin Sabrina Niemeyer hat dankenswerterweise in den folgenden Wochen Gesprächsangebote gemacht, die viele Mitarbeiter genutzt haben.“
„Genauso wichtig ist das offene Gespräch mit Patienten und Angehörigen über schwerwiegende Diagnosen. Hier gilt es, ehrlich, aber einfühlsam über die Situation und die folgenden Behandlungsoptionen und Perspektiven zu sprechen. Man sollte bei den Patienten bleiben, darf durchaus zugeben, wenn einen die Situation selbst emotional bewegt, und somit als Mensch nahbar bleiben. Auf keinen Fall sollte man weglaufen oder die Überbringung einer schlechten Nachricht einem anderen Kollegen aufbürden, wie das frühere Ärzte-Generationen des Öfteren gehandhabt haben.“
„Patienten und Angehörige sind sehr dankbar, wenn man weiterhin für Gespräche offen ist und die Familie auch durch eine Palliativsituation begleitet. Nicht selten sprechen wir auch längere Zeit nach einem dramatischen Ereignis, wie beispielsweise einer Totgeburt noch einmal mit den Eltern und versuchen so, ihnen beim Verarbeiten des Geschehens zu helfen.“
I) Was schätzen Sie besonders an Ihrem Team und wie haben Sie die Zusammenarbeit gefördert?
„In unserem Team der Gynäkologie und Geburtshilfe herrschen große Loyalität, Verbindlichkeit und Treue. Ein wertschätzender Umgang untereinander, der über alle Berufsgruppen hinweg gepflegt wird, vom Chefarzt über Hebammen, Pflegekräfte bis hin zu den Reinigungskräften hält ein Team stabil. Diese Wertschätzung sollte auch den Umgang mit den Patienten prägen. Besonders wichtig ist auch die Kritikfähigkeit, Fehler offen zu diskutieren und sich auch mal entschuldigen zu können.“
J) Was werden Sie an Ihrer Tätigkeit bei uns am meisten vermissen?
„Die Gespräche mit den Patienten, unser Team, das Operieren und natürlich den Kreißsaal, aber nur tagsüber! Nachtschichten sind schon eine anstrengende Herausforderung, die ich gerne hinter mir lasse.“
K) Welche Pläne haben Sie für Ihren Ruhestand?
„Auf jeden Fall freue ich mich auf mehr Zeit zur freien Gestaltung. Ich möchte wieder mehr Fahrrad fahren und mit meiner Frau auf Reisen gehen. Wir planen aber keine mehrmonatige Weltreise. Außerdem lese ich sehr gerne, möchte mehr Zeit mit meinen Kindern und Enkeln verbringen und mein ehrenamtliches Engagement weiter pflegen.“
„Wir werden in Frankenberg wohnen bleiben. Wir fühlen uns hier sehr wohl. Frankenberg ist eine sehr lebenswerte Stadt, die sich in den letzten Jahren vorteilhaft entwickelt hat.“
Dr. med. Volker Aßmann

Alter: geboren 1962 in Dillenburg
Familie: verheiratet, drei Kinder und inzwischen sieben Enkel
Ausbildung, beruflicher Werdegang:
Von 1983 bis 1990 studierte Dr. Aßmann Humanmedizin und promovierte an der Uni Köln.
Seine beruflichen Stationen: Von 1990 bis 1993 Arzt im Praktikum und Assistenzarzt in der Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe im St. Josef-Krankenhaus Engelskirchen; von 1993 bis 1995 Assistenzarzt in der Frauenklinik des Caritas-Krankenhauses Bad Mergentheim mit anschließendem Einsatz als Funktionsoberarzt; 1996: Oberarzt in der Frauenklinik des Kreiskrankenhauses Mühlacker; ab April 1996 Oberarzt in der Frauenklinik des Caritas-Krankenhauses Bad Mergentheim; ab Juli 1998 leitender Oberarzt. Seit Oktober 2001 ist Dr. Volker Aßmann Chefarzt der Gynäkologie und Geburtshilfe im Kreiskrankenhaus in Frankenberg.
Qualifikationen: Dr. Volker Aßmann ist seit 1995 Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe. Seine Schwerpunkte: Geburtshilfe und gynäkologische Onkologie.
Dr. Volker Aßmann ist Mitglied in der Deutschen Gesellschaft für Geburtshilfe und Perinatologie, in der Deutschen Gesellschaft für Senologie und in der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM).
Hobbys: Reisen, Radfahren, Lesen, Ehrenämter