Ein Jahr nach dem Brand im Kreiskrankenhaus Frankenberg Eine Chronologie der Zuversicht
Der Halloween-Tag oder Reformationstag im letzten Jahr wird noch vielen Menschen in der Region deutlich in Erinnerung sein. Für alle Mitarbeitenden des Kreiskrankenhauses Frankenberg und des MVZ Frankenberg war es ein so einschneidendes Ereignis, dass sie die berufliche Zeit in „vor dem Brand“ und „nach dem Brand“ einteilen.
Das Kreiskrankenhaus würdigt den Einsatz aller Helfer beim Brand, die Woge der Anteilnahme und Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung, insbesondere aber den riesigen Kraftakt aller Mitarbeitenden bei der Beseitigung der Brandschäden und dem Wiederaufbau der Patientenversorgung, mit einer Ausstellung im Café am Goßberg.
Alarm im Kreiskrankenhaus
18 Uhr, die Brandmeldeanlage im Kreiskrankenhaus wird aktiviert. Sofort reagiert die Leitstelle mit der Anforderung eines Großaufgebots an Rettungsfahrzeugen. Zunächst geht man davon aus, dass nur eine Station betroffen ist. Die perfekt funktionierenden baulichen Brandschutzanlagen können eine Ausbreitung der Flammen verhindern, nicht jedoch die Rauchentwicklung. Der beißende Qualm zieht schnell in die darüber liegenden Stationen und macht eine komplette Evakuierung der Stationen notwendig.
Evakuierung
Die Rettungskräfte und die Mitarbeitenden des Krankenhauses (viele von ihnen eilen von zu Hause herbei) evakuieren die Patienten. Mit viel Einsatz schleppen sie, teils auf Laken, die Bettlägerigen über die Treppenhäuser ins Freie. Draußen holen Helfer Liegen und Decken herbei, versorgen die Wartenden mit Getränken und tröstenden Worten.
Auch die Krankenhausseelsorgerin Sabrina Niemeyer steht mit einem Team der Notfallseelsorge bereit.
Über ihre Erfahrungen als Patienten in dieser Nacht berichten der ehemalige Landrat Dr. Kubat und in einem Interview, das zur Weihnachtszeit veröffentlicht wird, Fr. Marion Zellner.
Erste Bilanz
Die jährlichen Brandschutzübungen haben sich bezahlt gemacht. Die Evakuierung lief vorbildhaft.
Ein Toter ist zu beklagen, der in dem Zimmer gefunden wird, in dem das Feuer ausgebrochen ist. Erst ein DNA-Test wird später seine Identität klären. Einige Personen haben Rauchvergiftungen erlitten.
Knapp 60 Patienten wurden evakuiert, davon 13 in andere Krankenhäuser verlegt. Die restlichen Patienten konnten nach einigen Stunden auf die Station 11, 4 oder die Intensivstation zurückkehren oder wurden nach Hause entlassen.
Was geht noch? Ein Krankenhaus im Ausnahmezustand
Die nächsten Tage befinden sich alle im Ausnahmezustand. Ein Krisenstab wird einberufen und tagt teils mehrfach täglich. Es geht um den Zustand des Gebäudes, die Gespräche mit Brandexperten, die polizeilichen Ermittlungen, die Termine mit den Versicherungen. Mitarbeiter sitzen zu Hause und warten darauf, zu erfahren, wie und wann für sie die Arbeit weitergeht. Hunderte Patienten müssen über ausfallende Termine im MVZ oder Krankenhaus informiert werden.
Die Bereiche im östlichen Gebäudeteil haben keine Rauchgase abbekommen und können relativ schnell wieder ihre Arbeit aufnehmen. Das umfasst die Bettenstationen der Gynäkologie und Geburtshilfe (Station 11), die Geriatrie (Station 4) und die Intensivstation, weiterhin die Zentrale Notaufnahme, die Röntgenabteilung, das MRT, den Kreißsaal und die Operationssäle.
Auch die für die Versorgung der Patienten wichtigen Bereiche Küche, Bettenreinigung und Sterilisation sind uneingeschränkt nutzbar.
Pragmatismus ist gefragt
Da der Versorgungsauftrag für die Patienten an erster Stelle für das Kreiskrankenhaus steht, werden die zur Verfügung stehenden Betten sofort wieder belegt. Man rückt dichter zusammen, eine Trennung der Patienten nach Fachdisziplinen ist kaum möglich. Ambulante Behandlungen (auch in der Notaufnahme) und Operationen werden durchgeführt, Geburten finden statt.
Geplante Operationen, bei denen ein stationärer Aufenthalt notwendig ist, werden nur durchgeführt, wenn ein Bett für den Patienten frei ist.
Jeder packt mit an
An zweiter Stelle stehen die Aufräumarbeiten. Mitarbeitende aus der Pflege, deren Stationen nicht nutzbar sind, helfen beim Ausräumen der Zimmer. Viele Patienten warten auf die Rückgabe ihrer Kleidung und persönlicher Gegenstände, die sie bei der Evakuierung zurücklassen mussten. Die Rückgabe kann aber erst nach Freigabe durch den Sachverständigen erfolgen, denn viele Dinge sind durch den Rauch kontaminiert und es muss entschieden werden, ob eine Gesundheitsgefährdung von ihnen ausgeht.
Dies gilt auch für die Möbel und das medizinische Inventar der Stationen. Einiges wird ausgelagert, vieles muss entsorgt werden. Geräte müssen auf Schadstoffe untersucht und technisch geprüft werden.
Die Aufregung unter den Patienten ist groß, denn es wurden vielfach Wertgegenstände, wichtige Unterlagen, medizinische Hilfsmittel und persönliche Gegenstände zurückgelassen, die nur schwer oder gar nicht zu ersetzen sind.
Beim Interview mit Fr. Zellner berichtet diese strahlend von der Laterne, die ihre Enkel für sie gebastelt hatten und die sie unbeschadet zurückbekam.
Jetzt werden Fachleute gebraucht
Die fachgerechte Beseitigung der Brandschäden übernimmt die Firma Polygon. Tag und Nacht arbeiten deren Mitarbeitende daran, die gesamte Station 3 zu entkernen, denn hier ist durch die starke Hitze- und Rauchentwicklung nichts zu retten. Sogar einige Decken sind destabilisiert.
MVZ und Endoskopie starten wieder
Schon nach wenigen Tagen werden erste Ideen zur Änderung von Raumnutzungen konkret. Die Behandlungsräume des MVZ sind noch gesperrt, einige Sprechstunden weichen in Behandlungsräume der Notaufnahme aus, die Kinderarztpraxis zieht ins Schulzentrum für Pflegeberufe ein, um die Grundversorgung der kleinen Patienten gewährleisten zu können.
Die Termine der MVZ-Patienten können bereits Mitte November zum Großteil wieder stattfinden, nachdem die betroffenen Bereiche gereinigt wurden. Die Kinderarztpraxis bleibt zunächst noch im Schulzentrum für Pflegeberufe. Der Ärztliche Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung ist nun auch wieder in den Räumen des Krankenhauses aktiv.
Als Nächstes startet die Endoskopie wieder durch.
Eine Welle der Hilfsbereitschaft
Die Anteilnahme der Bevölkerung ist riesig. Mehrere Benefizveranstaltungen werden initiiert, wie zum Beispiel Chor-Konzerte...
.... oder ein Markt mit türkischen Spezialitäten, deren Einnahmen über den Förderverein des Kreiskrankenhauses gespendet werden.
Auch viele private und Firmenspenden gehen dort ein. Bis heute sind 100.000 € zusammengekommen. Die Brandschäden und die Betriebsausfälle sind durch Versicherungen abgedeckt.
Die Spenden sollen für zusätzliche Modernisierungsmaßnahmen im Rahmen der Renovierungen genutzt werden. Ein Teil der Spenden wurde von den Gebern explizit mit dem Hinweis versehen, sie sollen dem Personal direkt zugutekommen.
Notfallseelsorge
Schon in der Brandnacht war ein Team der Notfallseelsorge im Krankenhaus im Einsatz. Auch in den Wochen danach bietet die Krankenhausseelsorgerin, Pfarrerin Sabrina Niemeyer Termine für die Mitarbeitenden an, die das Brandgeschehen, die Angst um Patienten und die Sorge um die eigene Sicherheit noch lange beschäftigen.
Im Gänsemarsch voran
Da die Station 3 auf unbestimmte Zeit und die Stationen 7 und 9 für mehrere Monate nicht genutzt werden können, beschließt man, bereits vor einigen Jahren umfunktionierte Patientenzimmer im Bereich der früheren Station 1 wieder in Betrieb zu nehmen. Der Aufwand für all diese Umzüge und die Einrichtung der Räume ist jedoch enorm. Haushandwerker, Fremdfirmen und die IT-Abteilung sind im Dauereinsatz.
Am 20. Januar können die 26 Betten in Betrieb genommen werden. Die Station wird bei diesem Neuanfang als Lean-Station mit neuem organisatorischen Konzept betrieben.
Kinderarztpraxis wieder in gewohnten Räumen
Viel Geduld mussten Mitarbeitende und Patienten der Kinderarztpraxis aufbringen, bis diese Anfang April wieder in den gewohnten Räumen einziehen konnten. Der Rauch war „in jede Ritze“ gezogen. Die Sanierungsarbeiten waren wesentlich aufwändiger als zunächst gedacht.
Wiedereröffnung Stationen 7 + 9
Großes Aufatmen im Krankenhaus. Nach sehr zeitaufwändigen Sanierungsmaßnahmen sind die Stationen 7 und 9 ab September wieder in Betrieb. Die vielen Provisorien in der Patientenbelegung, der Schichtplanung und der Einteilung der Pflegekräfte und Ärzte auf anderen Stationen sind nun vorbei. Alle üblichen Wege im Krankenhaus können wieder genutzt werden. Durch einen fachlichen Tausch der Stationen wird ein großes Verbesserungspotenzial freigesetzt. Viele Wege für Patienten und Mitarbeiter sind nun kürzer, da die Stationen und zugehörige Funktionsbereiche dichter beieinander liegen.
Mit der nun erreichten Bettenkapazität ist auch die Zentrale Notaufnahme für den Rettungsdienst wieder komplett geöffnet.
Ein Jahr später: Dank und Zuversicht
Heute blickt das Kreiskrankenhaus Frankenberg mit Zuversicht nach vorn. Der Brand hat Spuren hinterlassen, aber auch den Teamgeist gestärkt. Neue Abläufe wurden etabliert, Arbeitsbereiche modernisiert und die Zusammenarbeit zwischen Pflege, Ärzten und Verwaltung weiter verbessert.