Akademisches Lehrkrankenhaus der Philipps Universität Marburg

1. Frankenberger Adipositas-Tag

Informationen, Rat und Kontakte für Betroffene

Auf viel Interesse stieß der 1. Frankenberger Adipositas-Tag am Sonntag den fünften Mai in der Ederberglandhalle. Über den Nachmittag verteilt lauschten 80 Personen den Vorträgen, informierten sich bei den Ausstellern und ließen sich beraten. Der Leiter des Adipositas-Zentrums Dr. Alfred Cassebaum zeigte sich sehr zufrieden: „Trotz zahlreicher Veranstaltungen in Frankenberg und Umgebung kamen viele Betroffenen und Angehörige zu uns. Wir konnten das Adipositas-Zentrum, unsere Leistungen und unsere Kooperationspartner vorstellen. Für viele Betroffene senkte die Veranstaltung die Hemmschwelle, über Ihre Probleme zu sprechen und sich professionelle medizinische Hilfe und emotionale Unterstützung zu holen. Sowohl am Stand des Adipositas-Zentrums als auch bei denen der Selbsthilfegruppen wurden viele neue Kontakte geknüpft.“ Erste Gespräche mit Ernährungsexpertinnen und einer Psychologin zeigten neue Perspektiven auf. Dr. Cassebaum möchte den Adipositas-Tag zu einer jährlichen Veranstaltung etablieren, um das Netzwerk zu stabilisieren, zu erweitern und den Austausch unter Betroffenen und Helfern zu erleichtern und zu stärken.

Die Mitarbeiter des Adipositas-Zenrums lieferten breite Information über die Vorteile aber auch Risiken und körperlichen Einschränkungen, die eine bariatrische Operation nach sich zieht. Eine statistische Auswertung von Frau Rumprecht-Schulte (Chirurgin und Ernährungsmedizinerin) der bisher operierten Fälle zeigte die erreichbare Gewichtsreduktion, die eindrucksvollen Erfolge bei Diabetes und Bluthochdruck, aber auch mögliche Früh- und Spätkomplikationen durch die OP. Auch die Grenzen der Chirurgie wurden aufgezeigt und betont, dass bereits 300 Patienten am Adipositas-Zentrum Hilfe finden, von denen nur ein kleiner Teil eine Operation anstrebt.

Viel Applaus erhielt der Vortrag der Patientin Gülizar Arslan, die emotional über Ihren Kampf mit dem Gewicht und Ihre Fortschritte seit der Entscheidung für die Operation berichtete.

Die Psychologin Dr. Kerstin Kühl zeigt auf, wie tief die Stigmatisierung übergewichtiger Menschen in unserer Gesellschaft bereits verankert ist. Übergewichtige leiden nicht von Natur aus häufiger unter Ängsten oder Depressionen. Die Abwertung durch ihre Umwelt führt jedoch bei vielen dazu, dass sie diese negativen Beurteilungen verinnerlichen und ihr Selbstwertgefühl massiven Schaden nimmt.

Die Diabetologin Silvia Hewel-Hildebrand erklärte den Zusammenhang zwischen dem ständigen Hungergefühl, über das viele Übergewichtige berichten und dem Insulinspiegel und der sogenannten Insulinresistenz. Der Kreislauf aus überschießendem Insulinspiegel, der in der Folge Hunger verursacht, kann durch sinnvolle Lebensmittelauswahl und ausreichende Pausen zwischen den Mahlzeiten durchbrochen werden.

Dr. Gabriele Knipp nahm die aktuellen „Mode-Diätformen“ wie Intervallfasten oder “Low-Carb“ ins Visier. Ihr Fazit war ernüchternd: Die Diätformen zeigen nicht den Weg zu einer langfristig sinnvollen Ernährungsumstellung. Die notwendige Bewegung wird nicht mit einbezogen. Dr. Knipp empfiehlt stattdessen eine kalorienreduzierte aber genussvolle mediterrane Ernährungsweise.

Die Ernährungsberaterin Antje Ruhwedel berichtete aus ihrem Beratungsalltag und wie sie ihre Patienten motiviert, den eingeschlagenen Weg zu gesundem Essen und mehr Bewegung dauerhaft zu verfolgen. Nur wer seine Einstellung grundsätzlich ändert und verinnerlicht, kann dauerhaft sein Gewicht reduzieren und dieses dann auch stabil halten.

Dr. Alfred Cassebaum erklärte im Anschluss die verschiedenen Methoden der bariatrischen Operationen und die Grundlage auf denen die individuelle Entscheidung für eine dieser Methoden fällt. Inzwischen nennt man die bariatrische Chirurgie auch immer öfter metabolische Operation. Als Indikation kann nämlich auch ein unbeherrschbarer Diabetes dienen. In der Regel verschwindet dieser direkt nach der OP, ohne dass bereits eine Gewichtsabnahme erfolgt ist. Eine Erklärung kann die Forschung bisher nicht liefern. Dr. Cassebaum betonte weiterhin, dass die Arbeit der Chirurgen nur einen kleinen Teil des Erfolges ausmacht. Die engmaschige Betreuung der Ernährungsberaterin und die Unterstützung der Patienten durch andere Betroffene in der Selbsthilfegruppe sind fundamental wichtige Bausteine für den Langzeiterfolg.

Über die Ernährungsumstellung für bariatrische Patienten berichtete die Diätassistentin und Diabetesberaterin Beate Schnell. Die starken Einschränkungen in der Menge und Auswahl der Lebensmittel, die für das restliche Leben gelten, sind nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Eine dauerhafte Supplementierung mit Vitamin- und Mineralstoffen ist unumgänglich, um Mangelerscheinungen zu vermeiden.

Als letzte Referentin zeigte Tamarica Fischer-Nagel als Fachärztin für plastische und ästhetische Chirurgie die Möglichkeiten der Figurmodellierung nach starkem Gewichtsverlust auf, denn auch wenn die Pfunde purzeln, die Haut bleibt und bildet Fettschürzen, die nicht nur ein kosmetisches Problem darstellen können. Sie berichtet auch über die Schwierigkeiten der Kostenübernahme durch die Krankenkassen für plastische Eingriffe, die Risiken durch aufwendige Operationen, große Wundflächen und lange Narben.

Im Anschluss stellten sich alle Referenten den Fragen aus dem Publikum, das von der Möglichkeit regen Gebrauch machte.

Aufgelockert wurde die Vortragsreihe durch die „Fit-Offensive“. Unter Anleitung von Coach Tobias Linck absolvierte das ganze Publikum unterhaltsame Übungen zur körperlichen und geistigen „Erfrischung“, um anschließend wieder konzentriert den Vortragenden folgen zu können.

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